„Berliner Schülerinnen bringen Berliner Schuhe zum Glänzen“


Mit den „Berliner Glanzwerken“ möchte LISTROS e.V. zu einem doppelten Perspektivwechsel beitragen. Der eine Perspektivwechsel bezieht sich auf unsere Wahrnehmung von Afrika und dafür beispielhaft Äthiopien. Der andere zielt auf unser Verständnis und unsere Bewertung von Arbeit und als Sonderproblem dabei von Kinderarbeit.


Beide Wahrnehmungen werden der Realität in vielen afrikanischen Gesellschaften nicht gerecht: denn tatsächlich ergreifen die meisten Menschen in Afrika selbst die Initiative, um ihren Alltag lebenswerter zu gestalten. Sie unternehmen große Anstrengungen, um ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen – trotz aller Widrigkeiten, die zweifellos bestehen.


Die jugendlichen Schuhputzer in Äthiopien, Listros genannt - nach dem italienischen Wort „lustro“, auf Deutsch „glänzend“, „blank“ -, sind dafür ein außergewöhnliches Beispiel. Mit Schuhputzen verdienen sie meist ihr Schulgeld selbst und tragen zum Überleben ihrer Familien bei. Diese Arbeit ist Kinderarbeit, die aber nicht wie in vielen anderen Fällen Ausbildung verhindert und deshalb abgeschafft werden muss, sondern Ausbildung im Gegenteil oft erst möglich macht. Darüber hinaus erfahren die Listros früh unterschiedliche Wertvorstellungen und Haltungen sowie gesellschaftliche Kommunikation in der Arbeitswelt. Dabei erkennen sie Eigenverantwortung, gewinnen Selbstbewusstsein und lernen, kreativ mit Herausforderungen umzugehen und Lösungen zu finden. Auf diese Weise sind die Listros auch eine Metapher für den deutsch-afrikanischen Perspektivwechsel.


Auch in Deutschland steigt die Zahl von Obdachlosen und Hartz IV-Empfängern. Mehrere, parallel ausgeübte Beschäftigungen oder Nebenjobs sind bei einem Großteil der Bevölkerung eher die Regel als die Ausnahme. Menschen müssen, wollen sie der Arbeitslosigkeit oder Hartz IV entrinnen, auch Phasen der Nichtbeschäftigung überbrücken und sich immer wieder neu erfinden. Dienstleistung und Handwerk erfahren neue Ausprägungen. Interessanterweise etablieren sich dabei auch solche Aktivitäten, die in vielen Entwicklungsländern gang und gäbe sind. So wird z.B. das Rikscha-Fahren, in vielen europäischen Großstädten als touristische Attraktion genutzt und sogar als willkommene Alternative, um im Großstadtverkehr von A nach B zu kommen. Rikscha-Fahren wurde so auch hierzulande wieder gesellschaftsfähig.


Ob nun Rikscha-Fahren, Gerätereparatur oder Schuhputzen: „Für uns ist es Arbeit“ sagte der Marathonweltrekordler Haile Gebreselassie bei seinem Besuch in der Berliner LISTROS Galerie im September 2009 und machte dabei klar, dass das Schuhputzen keine unterwürfige, geringwertige oder verabscheuenswürdige Arbeit, sondern eine Form der Dienstleistung ist – vergleichbar mit anderen gesellschaftlichen Tätigkeiten.


An dieser Stelle setzt die Berliner LISTROS Aktion an: sie nimmt die äthiopischen Listros in den Fokus und lädt zum Perspektivwechsel ein, indem sie die Listros und ihre Leistungen in Äthiopien ebenso würdigt wie diejenigen, die hierzulande die schwierigen Phasen des Lebens kreativ überbrücken und sich immer wieder neu erfinden. In diesem Sinne greifen wir den Eintrag von Bundespräsident Dr. Horst Köhler ins Gästebuch der LISTROS Galerie auf: „Wir alle können Listros sein. Wagen wir es!“. Ihn zitieren wir im Motto der LISTROS Aktionstage: „Wir alle können Listros sein.“


Ziele für die Schülerinnen und Schüler

Indem Schülerinnen und Schüler in die Rolle der äthiopischen Schuhputzer schlüpfen und eine große Aktion mitgestalten, lernen sie:

 
  • sich unvoreingenommen einem unbekannten Arbeitsbegriff zu nähern
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  • über neue, eigenverantwortliche und innovative Formen von Einkünften nachzudenken angesichts wachsender Ängste vor Arbeitslosigkeit in der Gesellschaft, oft auch in der eigenen Familie
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  • spielerisch und mit Respekt vor Andere zu treten von der KlassenkameradIn bis zum fremden Fußgänger auf der Straße
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  • aus einer gering geschätzten bis verachteten Tätigkeit „Glanz-Werke“ zu schaffen, „Schlechtes“ in „Gutes“ zu verwandeln – auch künstlerisch
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  • ihre ungewöhnliche, in der deutschen Kultur abgelehnte Tätigkeit selbständig gegenüber Fremden zu erklären und zu rechtfertigen
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  • die hinter der Schuhputzaktion stehenden Zusammenhänge zu verstehen und sie gegenüber Dritten zu erklären: die Probleme Äthiopiens und der afrikanischen Entwicklungsländer sowie Lösungsansätze, die äthiopischen Schuhputzer und die Probleme der Kinderarbeit, die Partnerschaftsfrage in den deutsch-afrikanischen Beziehungen, aktuelle Probleme der Globalisierungsprozesse
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  • moderne Kommunikationsmittel für die Aktion einzusetzen durch Fotos und Videos, die ins Internet gestellt werden (Youtube)
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  • eine große, öffentlichkeitswirksame und voraussichtlich von dem Medien begleitete Aktion insgesamt und in einzelnen Teilbereichen mit einem hohen Maß an Eigenverantwortung zu organisieren
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  • eine Aktion auszuwerten und daraus Schlussfolgerungen für jeden Einzelnen, für einzelne Gruppen und Schulklassen wie auch für die Aktion insgesamt zu ziehen.

  • Die Beteiligung an der LISTROS Aktion kann zu vielfältigen Kontakten nach Äthiopien führen, aus denen auch Schulpartnerschaften entstehen können.